Myanmars Geschichte weist eine Abfolge von Zyklen von Aufbruch, Niedergang und Neuanfang auf. Seit 2011 wird wieder einmal ein Neuanfang versucht, der von dem Militär des Landes mit der Einführung einer neuen Verfassung eingeleitet wurde, welche – auch nach dem Wahlsieg der Partei Aung San Suu Kyis im November 2015 – dem Militär einen maßgeblichen Einfluss auf die Politik garantiert.
Tag der Unabhängigkeit
4. Januar 1948 (4.20 Uhr)
Staatsoberhaupt
Win Myint
Regierungschef
Win Myint (faktisch: Aung San Suu Kyi)
Politisches System
Mehrparteiensystem
Demokratie Status- Index (BTI) 104 von 129 (2018)
Korruptionsindex (CPI) 130 von 180 (2019)
Grundzüge der Geschichte Birmas bis zur Kolonialzeit
Die offizielle Sicht der Geschichte Myanmars durch das Militär, das die Verfassung von 2008 auf den Weg gebracht hat, lässt sich an obigem Bild ablesen, das eine Militärparade auf einem Platz der Hauptstadt Naypyidaw zeigt. Im Hintergrund des Paradeplatzes sind überlebensgroß die Begründer der drei großen birmanischen Dynastien dargestellt. Anawrahta für das Reich von Bagan (1044-1287), Bayinnaung für die
Taungoo-Dynastien (16.-18. Jh.) und Alaungphaya für die Konbaung-Dynastie (1752-1885).
Alle drei Könige stammen aus Ober- bzw. Zentralbirma, alle gehörten der ethnischen Gruppe der Bamar an, die durch Eroberungen sowohl Unterbirma als auch einige andere Reiche der Nachbarschaft im heutigen Indien, China, Thailand und Laos unter ihre Oberherrschaft – aber nie völlig unter ihre Kontrolle – brachten.
In einer an diesen großen Reichen orientierten Geschichte kommen die vielen anderen ethnischen Gruppierungen im Lande nur am Rande als Verbündete oder Gegner der Birmanen vor, aber nicht als eigenständige Völker. Zudem suggeriert dieses Bamar-zentrierte Geschichtsbild eine historische Kontinuität, die es so nicht gegeben hat.
Die Geschichte, die sich auf dem Boden des heutigen Myanmar abgespielt hat, lässt sich bis in die Gegenwart als eine Abfolge von Zyklen des Aufstiegs und Niedergangs einzelner Regenten und der jeweiligen Ideologien beschreiben, auf der sie ihre Regierung stützten. Die Herrschaftsideologie der drei großen Königreiche, wie die der meisten ihrer Rivalen in der hinduistisch-buddhistischen Welt, war die des dhammaraja, des gerechten Herrschers, dessen Herrschaft auf die buddhistische Wahrheit, den dhamma, begründet ist. Gleichzeitig war der jeweilige Herrscher ein cakravartin (Dreher des weltlichen Rades parallel zum Buddha als dem Beweger des geistlichen Rades), also ein Weltherrscher, dessen Palast in der jeweiligen Hauptstadt im Kleinen den buddhistischen Kosmos widerspiegelte.
Die Qualifikation eines Thronfolgers wurde anhand des ihm zugesprochene guten kamma (Sanskrit: Karma), also der Summe seiner in den vergangenen und im gegenwärtigen Leben angesammelten verdienstvollen Taten, ermittelt. Eine Folge dieser Ideologie war eine hohe Unsicherheit in der Nachfolge eines verstorbenen oder unglücklich agierenden Herrschers. Es gab dafür keine festen Regelungen und zudem jederzeit die Möglichkeit, dass Thronprätendenten behaupteten, sie hätten auf Grund ihres guten kamma Anrecht auf die Regierungsgewalt.
Die drei großen Begründer der birmanischen Königsdynastien kamen, so wird berichtet, alle aus eher einfachen Verhältnissen. Die Nachfolger dieser “starken Könige” waren dann oft nicht in der Lage, den hohen Standards der Dynastiegründer zu entsprechen, was zu ständigen Krisen des Reiches und schließlich zu seinem Ende führte.
Auf diesem Hintergrund lässt sich die Geschichte des 1948 nach der britischen Kolonialzeit unabhängig gewordenen «modernen» Birma ebenfalls als eine Folge von Zyklen beschreiben, in der einzelne Personen versuchten, das Erbe des 1947 ermordeten Nationalhelden Aung San politisch zu realisieren. Der letzte dieser Versuche begann im April 2016, nachdem die Partei von Aung San Suu Kyi, der Tochter Aung Sans, einen überwältigenden Wahlsieg erzielte.
Mandala
Mit diesem Begriff, der «Kreis» bedeutet, lassen sich die immer noch nachwirkenden vormodernen politischen Systeme Südostasiens bezeichnen. Es gibt hier einzelne Machtzentren, deren Einfluss sich nach außen hin immer weiter abschwächt. Jedes dieser Zentren versucht, andere unter seine Oberherrschaft zu bringen. Deswegen wird auch von «galactic polity» (Tambiah) oder «solar polity» (Liebermann) gesprochen. Da die jeweiligen Machtzentren den Anspruch erhoben, die alleinige Oberherrschaft auszuüben, gab es im Falle einer Überschneidung der Einflusssphären Kriege, wie sie häufig zwischen Machtzentren auf dem Boden der heutigen Staaten Myanmar und Thailand stattfanden. 1767 etwa wurde das siamesische Zentrum Ayutthaya von Truppen des birmanischen Königs Hsinbyushin, der in Ava (Innwa) residierte, zerstört. Daraufhin wurde in Siam das neue Zentrum in Bangkok errichtet und die Chakri-Dynastie begründet.
Anawrahta (1015-1078)
war der Begründer des Königreichs von Bagan (Oberbirma) und der ersten birmanischen Dynastie, die von Beginn der Regierungszeit des Königs im Jahr 1044 bis zur Eroberung Bagans durch die Truppen Kublai Khans (1287) dauerte. Danach gab es im heutigen Myanmar über fast 300 Jahre lang keine zentrale Autorität, die das ganze Land unter Kontrolle hatte. Anawrahtas Reich hatte seinen Beginn im trockenen Oberbirma und verdankte seinen wirtschaftlichen Reichtum einer Fortentwicklung der schon früher entstandenen Bewässerungsanlagen sowie den durch Kriegszüge herbeigeschafften Arbeitskräften. Der König etablierte den Theravada-Buddhismus als die vorherrschende Religion im Lande und gleichzeitig als die Legitimationsgrundlage für politische Herrschaft. Den birmanischen Chroniken zufolge gelangte er durch die Eroberung der Mon- Hauptstadt Thaton in Unterbirma in den Besitz des buddhistischen Kanons (Tipitaka – «Dreikorb»).
Dabei wurden der König Manuha und zahlreiche Bewohner der Stadt nach Bagan gebracht, was zu einem großen Einfluss der Mon-Kultur auf das Königreich von Bagan führte.
Bayinnaung (gest. 1581)
Bayinnaung war der dritte König der zweiten birmanischen Dynastie, nach dem Regierungssitz in Mittelbirma die Taungoo-Dynastie benannt. Der äußerst kriegstüchtige König zwang Ayutthaya (Siam) und zahlreiche andere benachbarte Machtzentren, seine Oberhoheit anzuerkennen, nicht aber Arakan (Rakhine) im heutigen westlichen Myanmar. In seiner Zeit begann sich nach der Eroberung Malakkas durch die Portugiesen (1513) der europäische Einfluss auch in Birma bemerkbar zu machen. Das geschah einmal dadurch, dass jetzt die Handelsinteressen europäischer Kaufleute mit ins Spiel kamen. Zum anderen wurde die europäische Kriegsindustrie importiert. Eine Folge war, dass auf beiden Seiten der asiatischen Kriegsparteien Söldner aus Europa mitkämpften.
Alaungphaya (1714-1760)
Der Begründer der dritten birmanischen Dynastie, die 1885 ein Ende fand, brachte es auf Grund seines Charismas und seiner Kriegskunst in kürzester Zeit (ab 1752) vom Dorfvorsteher in Shwebo (Oberbirma) zum Herren eines großen Reiches, in dem Ober- und Unterbirma vereinigt waren. Dabei gründete er die Stadt Yangon in der Nähe des Ortes Dagon, an dem die schon damals berühmte Schwedagon-Pagode stand. Der von ihm gegebene Name «Yangon» bedeutet „Ende des Streites“.
Die Eroberung einer britischen Ansiedlung am Kap Negrais im Südwesten des Landes und der Tod zahlreicher Briten (1859) belastete die birmanisch-englischen Beziehungen nachhaltig. Der König starb 1860 auf einem Kriegszug nach Siam. Sein Sohn Hsinbyushin eroberte 1767 Ayutthaya und setzte damit der dortigen Dynastie ein Ende, die ab 1783 durch die Bangkok-Dynastie abgelöst wurde.
Der Goldene Brief Alaungphayas an König George II
Dieser Brief befindet sich in der Leibnitz-Bibliothek in Hannover. Er wurde 1756 vom birmanischen König Alaungphaya an seinen britischen Kollegen geschrieben und enthielt das Angebot einer politischen und wirtschaftlichen Kooperation. Der aus dem Haus Hannover stammende Empfänger schickte das Schreiben, das in einer Elfenbeinhülle übersandt worden war, an die ihm unterstehende königliche Bibliothek in Hannover, wo er 250 Jahre lang aufbewahrt wurde. Man konnte den Text nicht entziffern. Das gelang dann dem luxemburgischen Wissenschaftler Jacques Leider, der den Brief übersetzte und kommentierte. Am 18. Januar 2011 wurde das Goldstück im Beisein des niedersächsischen Ministerpräsidenten und des Botschafters Myanmars in Deutschland der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Kolonialzeit (1826-1948)
Birma wurde zwischen 1826 und 1886 in drei Etappen dem britisch-indischen Kolonialreich einverleibt. Der erste anglo-birmanische Krieg von 1824 bis 1826 hatte seine Ursache in einem durch die Expansionen beider Seiten entstandenen Konflikt über die jeweiligen Einflusssphären. Die in Kalkutta residierende britische Ostindienkompanie versuchte zudem den französischen Einfluss auf den Handel mit Birma zu begrenzen. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Yandabo. Er sah u.a. vor, dass der britischen Seite die Provinzen Tenasserim (Tanintharyi) und Arakan (Rakhine) übergeben wurden. Außerdem wurde der Abschluss eines Handelsvertrages vereinbart.
Dieser Vertrag kam auf Grund der unterschiedlichen Vorstellungen beider Seiten über die Bedingungen des Freihandels nicht zustande. Damit war ein wesentlicher Grundstein für
den britischen Feldzug zwischen April und Dezember 1852 gelegt. Nach diesem Feldzug nahm die ostindische Kompanie ganz Unterbirma in Besitz. Das birmanische Königreich hatte somit keinen Zugang zur See mehr. Ein Konflikt über Handelsfragen war schließlich auch der Anlass für den vom 7.-29. November 1885 andauernden dritten Anglo-birmanischen Krieg, an deren Ende der letzte birmanische Monarch Thibaw und seine Familie ins Exil in die indische Stadt Ratnagiri (südlich von Mumbai) gebracht wurde.
Bis 1935 blieb Birma ein Teil Britisch-Indiens und wurde danach eine selbständige Provinz. Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen birmanische Nationalisten verstärkt für die Unabhängigkeit des Landes zu kämpfen. Dabei spielten Mönche und Studenten eine zentrale Rolle.
Der Zweite Weltkrieg eröffnete die Möglichkeit, dieses Anliegen zu realisieren. 30 junge Birmanen unterzogen sich – unter Führung von Aung San – auf der Insel Hainan einem militärischen Training unter japanischer Anleitung, formierten sich Ende 1942 als birmanische Nationalarmee und halfen der japanischen Armee, die britischen Truppen aus dem Land zu vertreiben. Im August 1943 wurde Birma nominell unabhängig. Auf dem Hintergrund der militärischen Erfolge der Alliierten ordnete Aung San am 27. März 1945 an, dass die birmanische Armee gegen die bisherigen japanischen Verbündeten die Waffen erheben sollten. Der Tag ist seitdem staatlicher Feiertag.
Im Januar 1947 handelte eine von Aung San angeführte Delegation in London die Bedingungen für die Unabhängigkeit innerhalb eines Jahres aus. Eine Bedingung war, dass auch die überwiegend von ethnisch nicht-birmanischen Gruppen besiedelten Gebiete, die bisher von den Briten separat verwaltet worden waren, der Unabhängigkeit zustimmten. Auf der an einem Ort im Shan-Staat abgehaltenen Panglong-Konferenz im Februar 1947 wurde dies mit Vertretern der Chin, Kachin und Shan vereinbart. Im April desselben Jahres fanden Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung statt, die über einen von Aung San erarbeiteten Verfassungsentwurf beriet. Während dieser Beratungen wurde Aung San zusammen mit Mitgliedern seines provisorischen Kabinetts am 19. Juli 1947 im Auftrag eines politischen Rivalen ermordet. Der Tag ist seitdem ein staatlicher Feiertag (Martyrs› Day).
Bogyoke (General) Aung San (1915-1947)
General Aung San ist der Nationalheld Myanmars und die einzige Symbolfigur, die von (fast) allen ethnischen und politischen Gruppierungen des Landes anerkannt wird. Aung San wurde in der Nähe des Zentrums der birmanischen Ölindustrie geboren und studierte in Rangun. Er wurde durch seine Rolle im Studentenstreik 1936 prominent, wurde kurz danach Führer der radikalen Wir-Birma-Bewegung und floh 1940 nach China, wo er von der japanischen Armee kontaktiert wurde. Mit 30 anderen jungen Birmanen ließ er sich auf Hainan militärisch ausbilden und gründete Ende 1942 in Bangkok die birmanische Armee. Diese vertrieb dann zusammen mit den Japanern die Engländer. 1943 wurde Aung San Kriegsminister im formell für unabhängig erklärten Birma, Ne Win nahm seine Stelle als Oberkommandierender der Armee ein. Im März 1945 wechselte Aung San die Seiten. Die Armee bekämpfte nun die Japaner an der Seite der Alliierten.
Nach dem Krieg handelte Aung San mit den Briten (Januar 1947) und einigen ethnischen Führern (März 1947) die Bedingungen für die Unabhängigkeit aus, die am 4.1.1948 in Kraft trat. Er schrieb einen Verfassungsentwurf, der eine auf sozialistischen Prinzipien beruhende Gesellschaft vorsah.
Kapitalismus und westliche Demokratie wurden nach den Erfahrungen mit der Kolonialmacht abgelehnt. Aung San lehnte auch das britische Angebot ab, dem Commonwealth beizutreten. Er wurde ein halbes Jahr vor der am 4.1.1948 gefeierten Unabhängigkeit am 19.7.1947 zusammen mit seinem Kabinett im Auftrag eines politischen Rivalen ermordet. Der Tag ist bis heute staatlicher Feiertag wie auch zwei weitere Tage, die mit seiner Person verbunden sind, der “Unions-Tag” (12.2. in Erinnerung an das Abkommen von Panglong mit den anderen Ethnien) und der “Tag der Streitkräfte” (27.3. zur Erinnerung an den Beginn des Kampfes gegen die Japaner 1945).
Die Zeit der Unabhängigkeit bis 1988
Die für die Zeit der Dynastien typische zyklische Bewegung lässt sich auch im unabhängigen Birma/Myanmar beobachten. Nu, Aung Sans Nachfolger und enger Weggefährte, scheiterte mit seinem Programm eines buddhistischen Sozialismus und wurde von einem anderen Mitkämpfer Aung Sans, General Ne Win, gestürzt. Dessen Versuch, einen “birmanischen Weg zum Sozialismus” zu realisieren, endete nach anfänglichen Erfolgen in einem wirtschaftlichen Desaster. Danach übernahm wieder das Militär die Macht, musste sich aber mit der Tochter des Unabhängigkeitshelden, Aung San Suu Kyi, auseinandersetzen, die vom Volk als die legitime Erbin und Nachfolgerin ihres Vaters angesehen wurde und wird und für die Errichtung einer “wahrhaftigen Demokratie” im Lande eintritt. Ihr gegenüber steht die Führung des Militärs (birmanisch: Tatmadaw), das sich eine andere Version von Demokratie auf seine Fahnen schrieb. Beide «Erben» Aung Sans teilen sich die Macht nach den Wahlen von 2015, die mit einem überwältigen Wahlsieg der Partei Aung San Suu Kyis endeten.
U Nu (1907-2005)
U Nu war – mit einigen Unterbrechungen – Premierminister Birmas zwischen dem Erlangen der Unabhängigkeit des Landes im Januar 1948 und dem Militärputsch vom 2. März 1962. Nu wollte ursprünglich Schriftsteller werden, war aber zugleich glühender Nationalist und – anders als Aung San – ein traditioneller frommer Buddhist. Wie Aung San kam er durch den Studentenstreik von 1936 in die Politik. In der Regierung zur Zeit der japanischen Besetzung war er erst Außen- und dann Informationsminister. Nach der Ermordung Aung Sans wurde er Regierungschef. Er scheiterte mit dem Versuch, die Spaltung der politischen Sammlungsbewegung, die unter Führung Aung Sans die Unabhängigkeit erkämpft hatte, zu erhalten und trat deswegen 1958 zurück. Die Wahlen von 1960 gewann er u.a. aufgrund des Versprechens, Buddhismus zur Staatsreligion zu machen. Damit wurde der Bürgerkrieg neu entfacht (die christlichen Kachin begannen danach ihre Rebellion). Die Maßnahme war einer der Gründe für den Putsch Ne Wins vom März 1962. Nu kam für einige Zeit ins Gefängnis, wurde entlassen, ging ins Ausland und versuchte, das Ne-Win-Regime mit Hilfe einer in Thailand aufgebauten Armee zu stürzen. Nachdem das misslang, kam er 1980 nach einer Amnestie wieder nach Birma zurück und spielte bei den Unruhen von 1988 weiterhin eine (Neben-) Rolle.
U Ne Win (1911-2002)
U Ne Win hat von dem Beginn seiner militärischen Laufbahn als Mitglied des von den Japanern im Zweiten Weltkrieg trainierten Kerns der birmanischen Nationalarmee bis zu seinem Rücktritt im Juli 1988 die Geschichte Birmas in unterschiedlichen Funktionen sowohl militärisch wie politisch maßgeblich mitbestimmt. Mit Hilfe des von ihm geführten Militärs überlebte die Regierung Nu den Bürgerkrieg nach Beginn der Unabhängigkeit. 1958 übernahm er für 18 Monate die Regierungsgewalt von U Nu, organisierte Wahlen und putschte dann 1962, nachdem die zivile Regierung in seinen Augen nicht in der Lage war, die Probleme des Landes zu lösen.
Er organisierte dann maßgeblich den auf einer eigenen Philosophie gegründeten „Birmanischen Weg zum Sozialismus“, der 1974 zu einer neuen Verfassung führte. Seitdem war er offiziell Zivilist und
Vorsitzender der Einheitspartei Burma Socialist Programme Party (BSPP). Das Projekt scheiterte an der Unfähigkeit, die Wirtschaft des Landes in Schwung zu bringen – trotz der massiven Unterstützung Birmas durch Japan und die Bundesrepublik Deutschland. Von 1962 bis 1988 hielt sich Ne Win jedes Jahr einige Wochen im Rheingau auf und konferierte dort mit Mitgliedern der deutschen Regierung, von Parteien und Wirtschaftsvertretern. Er starb 2002, nachdem einem Schwiegersohn und drei Enkeln ein Schauprozess wegen eines versuchten Staatsstreichs gemacht wurde.
Dr. Maung Maung (1925-1994)
Dr. Maung Maung war einen Monat lang der letzte Vorsitzende der Burma Socialist Programme Party (BSPP) und Staatspräsident Birmas vor dem Militärputsch vom 18. September 1988. Er war Jurist, Journalist und so etwas wie der Historiograph der Ne-Win-Ära. Seine auf Englisch geschriebenen Bücher und seine 2009 erschienene Biographie geben einen guten Einblick in die „Innensicht“ des birmanischen Sozialismus. In seiner kurzen Zeit an der Spitze des Staates versuchte er, einen verfassungskonformen Übergang vom Einparteiensystem zum Mehrparteiensystem einzuleiten. Das scheiterte u.a. an den Forderungen der Demonstranten und ihrer Führer (u.a. Suu Kyi) nach der sofortigen Einsetzung einer Übergangsregierung.
Senior General Than Shwe (geb. 1933)
Der Senior General trat 1953 in die Armee ein und arbeitete dann eine Zeitlang im Psywar Department der Armee, in dem u.a. die politische Rolle der Armee gegenüber den zivilen Politikern diskutiert wurde. Er machte schnell Karriere und wurde 1985 stellvertretender Verteidigungsminister. Beim Militärputsch 1988 war er die Nummer 2 hinter General Saw Maung, der bis 1992 an der Spitze des Staatsrat für Frieden und Entwicklung (SLORC) stand, aber mit den politischen Aufgaben eines Staatschefs offenbar überfordert war. Than Shwe löste ihn ab und war danach die zentrale Figur der Politik Myanmars.
Er galt als ein ausgesprochen geschickter Taktiker. Es gelang ihm, die Einheit der Streitkräfte zu bewahren und Rivalen wie Khin Nyunt auszuschalten. Ihm wird Größenwahn (angeblich sieht er sich als Inkarnation eines früheren birmanischen Königs) und korruptes Verhalten nachgesagt. Mit der Abarbeitung der Roadmap von 2003 und der Einsetzung einer nominell zivilen Regierung nach den Wahlen von 2010 hat er eine elegante Exit Strategy verfolgt. Über seinen weiteren Einfluss auf die Politik des Landes wird auch Jahre nach seinem Rücktritt noch spekuliert.
Entwicklungen seit 1988 und die Rolle Aung San Suu Kyis
Der seit März 1988 von Studenten angeführte Volksaufstand, der im August und September eskalierte, rückte Birma nach langen Jahren der Vergessenheit plötzlich in den Mittelpunkt des Weltinteresses. Dabei spielten zwei unerwartete Ereignisse eine zentrale Rolle. Zum einen trat der langjährige Machthaber, Ne Win, auf Grund der Proteste von seinem letzten Posten als Führer der Einheitspartei Burma Socialist Programme Party (BSPP) zurück und empfahl gleichzeitig ein Referendum zur Zukunft des parlamentarischen Systems. Zum anderen erschien Aung San Suu Kyi, die Tochter des Nationalhelden Aung San, auf der politischen Bühne.
Aung San Suu Kyi
Aung San Suu Kyi wurde 1945 geboren, hatte ihr Land zusammen mit ihrer Mutter Khin Kyi – die von U Nu zur Botschafterin in Indien ernannt worden war – im Jahr 1960 verlassen und später in Oxford studiert. Sie arbeitete einige Zeit bei den Vereinten Nationen, als ihr Landsmann U Thant Generalsekretär der UN war. 1972 heiratete sie den Tibetologen Michael Aris, lebte mit ihm und ihren beiden Söhnen überwiegend in Oxford und besuchte von Zeit zu Zeit ihre Mutter im Haus der Familie in Rangun in der University Avenue. Das alte Haus, in dem noch Aung San gelebt hatte, war aufgegeben worden, nachdem der zweite Sohn der Familie, Lin, im Januar 1953 in einem Teich auf dem Grundstück ertrunken war.
Im April 1988 kam sie ins Land, nachdem sie die Nachricht von einem Schlaganfall ihrer Mutter erhalten hatte. Sie wurde von den demonstrierenden Studenten kontaktiert und entschloss sich, sich auf die Seite der Protestbewegung zu stellen und einen Rücktritt der Regierung zu fordern. Binnen kurzer Zeit wurde sie zur führenden Figur der Oppositionsbewegung und Generalsekretärin der National League for Democracy (NLD), die kurz nach dem Militärputsch vom 18.9.1988 gegründet worden war. Das Militär hatte die aus seiner Sicht chaotische Lage im Lande beendet und Wahlen für ein Mehrparteienparlament angekündigt. Schon vor den Wahlen, die im Mai 1990 stattfanden, wurde Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Hintergrund war der Konflikt mit der Militärjunta über die Frage, wie unter den Bedingungen des Kriegsrechts ein freier Wahlkampf geführt werden könne. Die Konfrontation nahm eine globale Dimension an, nachdem der Wahlsieg der NLD vom Militär nicht honoriert wurde, und Aung San Suu Kyi im Dezember 1991 der Friedensnobelpreis verliehen worden war.
Trotz zahlreicher diplomatischer Initiativen und zweier Freilassungen von Aung San Suu Kyi zwischen 1995 und 2000 und von Mai 2002 bis Mai 2003 konnte die Konfrontation nicht beendet werden. Nach der erneuten Verhängung von Hausarrest verkündete die Junta einen siebenstufigen Fahrplan zu einer “disziplinierten” Demokratie. Eine Nationalversammlung erarbeitete eine Verfassung, die durch ein Referendum, das trotz des kurz zuvor über das Irrawaddy Delta hereingebrochenen Wirbelsturms Nargis im Mai 2008 stattfand, angenommen wurde. Am 7.11.2010 fanden Wahlen statt, die von der NLD boykottiert wurden, worauf die Partei ihren Status als legale Partei verlor. Die meisten Sitze gewann die vom Militär gegründete Union Solidarity and Development Party (USPD). Kurz darauf, am
13. November, wurde Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen.
Nach der Übergabe der Macht von der Militärjunta an eine nominell zivile Regierung am 30. März 2011 traf sich der neue Präsident, Ex-General Thein Sein, im August mit Aung San Suu Kyi in Naypyidaw. Im November erklärte die NLD ihre Bereitschaft, sich wieder als Partei registrieren zu lassen. Aung San Suu Kyi kandidierte bei Nachwahlen am 1. April 2012. Von den zur Wahl stehenden 45 Parlamentssitzen, die durch die Ernennung von Parlamentariern zu Ministern notwendig geworden waren, gewann die NLD 43.
Seit Aung San Suu Kyi nach der Wahl als Parlamentarierin vereidigt wurde und damit die von ihr vorher bekämpfte Verfassung anerkannt hatte, hat sie die Doppelrolle als Teil des vom Militär eingerichteten politischen Systems und der von der Mehrheit des Volkes geliebten Führerin einer gegen die alte Ordnung bestehenden Opposition inne. Im August 2012 übernahm sie den Vorsitz eines neu geschaffenen Komitees für Rechtssicherheit, Frieden und Stabilität. Außerdem unternahm sie zahlreiche Auslandsreisen, wobei sie u.a. in Oslo den ihr 1991 verliehenen Nobelpreis persönlich entgegennahm.
Kurz nach 1988 wurde auch die Bildung von Parteien und Vereinigungen durch Gesetze geregelt. Bei den Wahlen von 1990 ließen sich 235 Parteien registrieren, von denen dann 93 auch an den Wahlen teilnahmen. Von diesen Parteien waren einige Jahre später nur 10 übrig, unter ihnen die NLD. Alle anderen waren von der Wahlkommission deregistriert worden oder hatten sich aufgelöst. Die Bewertung der Tatsache, dass die Wahlen nicht direkt zu einer Machtübergabe an die siegreiche NLD führten, ist umstritten. 2010 nahmen 37 Parteien von insgesamt 47, die sich hatten registrieren lassen, an den Wahlen teil. Außerdem kandidierten 80 Unabhängige. Der Erdrutschsieg der NLD in den Wahlen von 2015 hatte zur Folge, dass mit Ausnahme des Rakhine-Staates in allen sieben Staaten, in denen traditionell eine nicht-birmanische Ethnie dominiert, der Anteil ethnischer Parteien in den Parlamenten zurückgegangen ist.
Aung San Suu Kyi gerät zunehmend in internationale Kritik. Den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft konnte sie, insbesondere was den Friedensprozess und Menschenrechte angeht, nicht entsprechen. Vor allem bezüglich der Rohingya-Krise werden schwerwiegende Vorwürfe gegen sie erhoben. Einige Titel wurden ihr bereits aberkannt, zuletzt wurde ihr von Amnesty International der Ehrentitel «Botschafterin des Gewissens» aberkannt.
Die Wahlen von 2015
Die zweiten Wahlen nach der Verfassung von 2008 wurden von der Wahlkommission im Juli 2015 auf Sonntag, den 8. November, festgesetzt. Kurz darauf teilte Aung San Suu Kyi mit, dass auch die NLD an den Wahlen teilnehmen werde. Die Wahlen wurden im Vorfeld vor allem unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob nach einem Wahlsieg der NLD die Vorsitzende Aung San Suu Kyi Präsidentin des Landes werden könne. Dazu wäre eine Verfassungsänderung notwendig gewesen, die aber bis zur Neuwahl eines Präsidenten durch das Parlament nicht mehr in Kraft treten konnte. Die zeitweise erwogene Möglichkeit eines nationalen Referendums wurde aus Zeitgründen wieder fallen gelassen.
Ebenso erfolgte keine Wahlrechtsreform. Einige Parteien hatten eine Änderung des geltenden Mehrheitswahlrechts nach britischem Muster (first-past-the-post-system) zugunsten eines Verhältniswahlrechts nach deutschem Muster gefordert.
Eine weitere Kontroverse entzündete sich an den Stellungnahmen von Mönchen zu den Wahlen, die seit längerem eine massive anti- muslimische Propaganda betrieben. Die Mönchsgruppe
MaBaTha kündigte an, dass sie von der Wahl von Parteien, die sich nicht für eine Unterstützung des Buddhismus in ihrem Sinne einsetzen würden, abraten würden. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen wurde bemängelt, dass die unter dem Namen Rohingyas bekannten Muslime im Staat Rakhine mehrheitlich nicht an den Wahlen teilnehmen konnten. Auch von Seiten der NLD wurde im ganzen Land kein einziger muslimischer Kandidat aufgestellt.
Der Wahlkampf begann am 8. September. 92 Parteien hatten sich erfolgreich registrieren lassen, davon mindestens 60, die die Interessen einzelner ethnischen Gruppen vertraten. Die Veranstaltungen von Aung San Suu Kyi waren landesweit am besten besucht.
Der Wahltag
Entgegen mancher Erwartungen verlief der Wahltag ruhig. Der Andrang in den Wahllokalen war vom frühen Morgen an groß. Die zahlreichen internationalen Wahlbeobachter stellten einen ordentlichen Ablauf der Wahl fest. Schon erste Prognosen deuteten auf einen Erdrutschsieg der Partei Aung San Suu Kyis hin.
Das Ergebnis
Ähnlich wie bei den Wahlen von 1990 erzielte die NLD einen überwältigenden Sieg. Sie gewann 255 von 330 der zur Wahl stehenden Sitze in der «Volkskammer» (Pyitthus Hluttaw), 135 von 168 Sitzen in der Nationalitätenkammer (Amyotha Hluttaw) und 496 von 644 Sitzen in den 14 Parlamenten der je 7 Regionen und Staaten (erstere werden überwiegend von der Mehrheit der ethnischen Birmanen, letztere von anderen ethnischen Nationalitäten bewohnt). Die Zahlen für die bisherige Regierungspartei USDP sind 30, 11 und 76. Auf Grund von militärischen Auseinandersetzungen in einigen Regionen des Landes wurden 7 Sitze in der «Volkskammer» und 14 Sitze in den Regionalparlamenten nicht besetzt. 20 weitere von den insgesamt 93 angetretenen Parteien sowie ein Unabhängiger gewannen mindestens einen Sitz in einem der 16 Parlamente. Die Sitzverteilung gibt auf Grund des Mehrheitswahlrechts (first-past-the-post) nicht die prozentualen Anteile der im Land abgegebenen Stimmen wieder.
Die NLD gewann auch die überwiegende Mehrheit der «Ethnic Affairs Minister», die die Interessen von ethnischen Minderheiten in den einzelnen Regionen und Staaten vertreten sollen, in denen eine andere Ethnie die Mehrheit bildet. Diese haben aber – ebenso wie das nach der Wahl neu geschaffene Ministerium für ethnische Angelegenheiten – noch keine allgemein anerkannten positiven Ergebnisse hervorgebracht. Die weitgehend ungelöste multiethnische Problematik zeigt sich unter anderem daran, dass die Ergebnisse der Volkszählung 2014 zur ethnischen Zusammensetzung des Landes immer noch nicht veröffentlicht wurden.
Die nächsten Wahlen in Myanmar stehen Ende 2020 an. Bisher haben sich bereits 98 Parteien registriert, damit hat Myanmar die größte Anzahl politischer Parteien innerhalb der ASEAN. Im Zeitraum vor den Wahlen könnte es zu weiteren Spannungen im Land kommen; allerdings bieten die Wahlen natürlich auch eine Chance für langfristigen Frieden und Stabilität.
In der Zwischenzeit hat das Militär die Macht übernommen. Wann es wieder zu Wahlen kommt, wird sich zeigen.
Der Urheber ist auf dem Länderportal der GIZ nicht erwähnt gewesen. Ich habe die GIZ informiert, dass ich in meine touristischen Webseiten das wertvolle Wissen einpflege. Jede Unterstützung für Myanmar ist willkommen. Vor allem in Bezug auf Bilder und aktuelle Infos freue ich mich auf Hilfe.